Allgemein

Die zweite Meinung

Gestern hatte ich den Termin an der BGU in Frankfurt. Nach sechs langen Stunden, die wir neben dem Durchlauf vieler Abteilungen auch mit ganz viel Warten verbracht haben, steht am Ende dieses Marathons fest, dass ich am Freitag operiert werden kann. Mein Entschluss mich hier operieren zu lassen steht somit fest. Seit dem Gespräch mit der Chirurgin weiß ich jetzt auch viel mehr über meine Verletzung – eine komplizierte Fraktur mit Beteiligung von Tibia und Femur, jede Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt würde noch mehr zerstören. Zum Glück bin ich mit dem AirCast komplett ruhiggestellt, aber darauf hatte mich bisher kein Arzt hingewiesen. Kurze Zeit war sogar im Gespräch, dass ich direkt auf den OP-Tisch sollte, aber nach einem zusätzlichen CT gab es die Entwarnung und keinen Grund zur sofortigen Handlung. Es müssen einige Schrauben und Platten implantiert werden, eventuell sogar die beiden Knochen miteinander in korrekter Stellung verschraubt werden. Das wird sich alles während der OP zeigen. Danach darf ich den Fuß und somit das gesamte Bein sechs Wochen lang nicht belasten. Im Anschluss daran erfolgt ein langsames Aufbautraining. Es wird also viel Zeit brauchen und vor allem einiges an Geduld meinerseits. Mein Muskelapparat im Oberkörper verspürt bereits das ungewollte Training durch die Krücken. Vielleicht straffen sich ja dabei auch meine Winkearme ein wenig.

Voraussichtlich werde ich postoperativ drei bis vier Tage im Krankhaus verbringen müssen. Die Entlassung erfolgt erst, wenn ich gemeinsam mit den dortigen Physiotherapeuten den sicheren Gang und das Treppensteigen mit den Gehstützen geübt habe. Dabei denke ich so an meinen Aufenthalt im Limburger Krankenhaus, wo mir einfach ein paar Krücken hingestellt wurden und ich dann alleine damit zurechtkommen musste. Das BGU ist eine große Unfallklinik mit unzähligen chirurgischen Fällen täglich und diese Erfahrung sieht man auf den Gängen anhand der vielen Patienten und spürt man deutlich bei den Arztgesprächen. Selbst das Aufklärungsgespräch mit der Anästhesistin hat fast eine Stunde gedauert. Durch meine derzeitige Krebstherapie bin ich auch ein Sonderfall. Ich habe durch die Chemo ein erhöhtes Wundheilungsrisiko. Ganz zu schweigen vom erhöhten Thromboserisiko und natürlich durch die Blutverdünner ein Blutungsrisiko. Aber wir sind ja Optimisten und Glückskinder, somit wird das alles ohne Probleme verlaufen.

Ich habe mir direkt ein Einzelzimmer gebucht, denn ich habe keine Lust mir im Krankenhaus durch mein eh schon geschwächtes Immunsystem noch irgendwelche zusätzlichen Krankheiten einzufangen. Die Narkoseärztin erwähnte auch, dass ich im Aufwachraum ebenfalls um eine Maske bitten kann, soweit mein geistiger Zustand das in dem Moment auch noch abrufen und ich mich dahingehend artikulieren kann. Nach unzähligen Unterschriften, die ich an diesem Tag in den unterschiedlichen Abteilungen geleistet habe und reichlich geduldigem Papier, welches ich mit nach Hause nehmen darf, verlassen wir das BGU mit einem OP-Termin für Freitag, also in zwei Tagen und mit einem Strafzettel über 25€ für das Parken im Parkverbot. Mit der bereits gepackten Kliniktasche im Kofferraum fahren wir also wieder in Richtung Selters.

Mit meiner behandelnden Ärztin im Brustzentrum telefoniere ich ebenfalls, da noch aussteht, wie es nun mit der Chemotherapie weitergehen wird. Wir pausieren definitiv für die nächsten beiden Donnerstagtermine. Sobald ich aus dem Krankenhaus entlassen werde, besprechen wir das weitere Vorgehen. Sie ist so engagiert und hat auch Kontakt mit der Chirurgin aufgenommen. Das beruhigt mich, denn mein ursprünglicher Plan war ja, die OP in der Hochtaunusklinik machen zu lassen, da meine Patientenakte dort vorliegt.

Und noch eine Anekdote zum Tagesabschluss zum Thema Digitalisierung im medizinischen Bereich. Im Büro der Patientenaufnahme hängt ein großes Display, damit die Patientenformulare alle digital angezeigt und unterschrieben werden können. Das Ganze hat wohl nur wenige Tage funktioniert laut Aussage der Mitarbeiterin und muss von der IT nachgearbeitet werden, da Unterschriften und ausgefüllte Formulare nicht im System gespeichert wurden. Also druckt man wieder reichlich Papier in zweifacher Ausfertigung. Das zweite IT-Erlebnis hatten wir dann beim Termin mit der Anästhesistin. Vor dem Gespräch hatte ich einen sehr umfangreichen Fragebogen zu allen möglichen medizinischen Informationen zu meiner Person auf einem Tablet ausgefüllt und unterschrieben. Dieser ist auch gespeichert, aber die Übertragung in die Patientenakte funktioniert noch nicht in allen Teilen. Somit musste die Narkoseärztin noch einmal alle Fragen, die für die Narkose relevant sind, mit mir durchgehen und manuell an einem PC eintragen. Carsten und ich saßen schmunzelnd da und wir machten so unsere Witze dazu. Die Ärztin fragte dann augenzwinkernd nach unserem Beruf. Wir outen uns nicht immer direkt als Menschen, die im Softwarebusiness tätig sind. Aber wenn wir gefragt werden, sprechen wir auch über unsere IT-Kenntnisse. Zumindest sind die Gespräche dann meist sehr aufgelockert.

Den heutigen Tag, den Tag vor der Operation, verbringe ich damit, meinen Schreibtisch noch ein wenig zu sortieren und einige Sachen abzuarbeiten inklusive des Papierstapels, den ich gestern bekommen habe. Die Glatze haben wir ebenfalls noch einmal rasiert, auch wenn sich schon einige Haarstoppeln gezeigt haben. Es war aber alles noch sehr lückenhaft und ich habe die Hoffnung, dass das Rasieren einem dichten Harrwachstum zuträglich sein könnte. Meine Klinktasche steht bereit und ab Mittag sitze ich mit einem Kühlakku für mein Bein bei schönstem Frühlingswetter auf dem Sofa.

Sobald ich nach meiner OP des Denkens und Schreibens wieder mächtig bin, werdet ihr von mir lesen. Ich bin dann mal weg….