
Wie geht´s nun weiter?
In den letzten Tagen waren wir damit beschäftigt, uns in unserem neuen Alltag zurechtzufinden. Das Laufen mit den Krücken klappt von Tag zu Tag besser, aber ich bin in allen Bereichen auf Hilfe angewiesen. Ganz besonders spannend ist das „Treppensteigen“ oder besser gesagt Treppenrutschen. Ich bewege mich sitzend auf meinem Hinterteil die Treppe hinauf und hinunter. Zumindest trainiere ich dabei noch meine Oberarme. Carsten ist nun zu einhundert Prozent Hausmann und Pfleger in einem. So zeigen sich auch ganz deutlich die Unterschiede zwischen uns beiden. Jeder hat andere Prioritäten, aber dadurch ergänzen wir uns auch so super im normalen Leben. Aber in meiner jetzigen Situation ist das schon für mich sehr herausfordernd und ich muss mir des Öfteren auf die Zunge beißen und einfach die Klappe halten.
Am Sonntag hat Carsten zum ersten Mal einen Szegediner Gulasch gekocht, mit meiner externen Kochanleitung. Das hat super geklappt und wirklich sehr gut geschmeckt. Nun hat er Bedenken, dass er nach meiner Genesung häufiger dafür zuständig sein könnte. Da konnte ich ihn direkt beruhigen – manche Dinge im Haushalt gebe ich nicht aus der Hand. Dazu gehört definitiv auch das Kochen. Sobald ich das Bein belasten darf, stehe ich auch selbst wieder in der Küche. Aber im Moment bleibt mir nur das Zuschauen.
Da ich mir etwas unsicher war, wie ich den Kontakt in die Unfallchirurgie der Hochtaunuskliniken bekomme, wende ich mich mit einer Mail an meine behandelnde Ärztin im Brustzentrum. Zum einen einfach zur Information, da eventuell meine Chemo für Donnerstag verschoben werden muss und zum anderen als Gatekeeper, da ich ja bereits eine Patientin in der Klinik bin. Montagmorgen kommt prompt eine Antwort von meiner Ärztin mit dem Verweis, dass sich die Unfallchirurgie zwecks einer Terminvereinbarung bei mir melden wird. Einmal mehr bin ich happy genau in diesem Brustzentrum in Behandlung zu sein. Je nachdem, was dort herauskommt, wird dann die Chemo für diese Woche geplant. Per Mail kommt ein Terminvorschlag aus der Unfallchirurgie für den 15. April – das sind noch über zwei Wochen! Etwas verunsichert und auch leicht entrüstet, antworte ich darauf, ob das denn so korrekt ist, dass ich fast drei Wochen nach meinem Unfall erst ein Gespräch mit einem Chirurgen bekommen soll und die OP dementsprechend sehr spät erst stattfinden würde. Mir wurde bei der Entlassung am Samstag gesagt, dass man nach fünf Tagen operieren kann, wenn die Schwellung zurückgegangen ist. Daraufhin dann ein Telefonat und ein Gesprächstermin für Dienstag, also heute. Ich bin erleichtert, denn ich habe etwas Bedenken, dass dies eine langwierige Sache werden könnte, bis ich wieder ganz fit bin.
Das Gespräch mit dem Arzt ist sehr aufschlussreich und endlich gibt es einen Fahrplan. Ich werde nun in die OP-Planung aufgenommen, auch in Abstimmung mit meiner Ärztin im Brustzentrum, und bekomme per Telefon den Termin mitgeteilt. Da beide Knochen nah am Knöchel gebrochen sind, muss eine Platte eingesetzt und verschraubt werden. Wenn alles gut läuft, dauert die OP selbst ungefähr eine Stunde und mein stationärer Aufenthalt postoperativ zwei Tage. Das klingt für mich alles super und ich signalisiere, dass ich das so schnell als möglich hinter mir haben möchte. Im Anschluss an das Gespräch gehen wir noch in die onkologische Ambulanz, da ich meiner Ärztin noch das Ergebnis mitteilen möchte. Sie ist leider im OP, aber ich kann kurz mit den Chemoschwestern sprechen. Es steht noch nicht fest, ob und wie lange ich noch die Chemo mache. Wir nehmen aber schon einmal Blut ab, dann brauche ich Mittwoch nicht in die Klinik zu fahren.
Beim Verlassen der Klinik treffe ich noch eine der Onkoschwestern und wir unterhalten uns ein wenig. Ich habe nach dem Fotoshooting in München eine Idee im Kopf, die man vielleicht auch den Krebspatienten hier zugutekommen lassen könnte. Noch ist es eine Idee und alles noch nicht spruchreif, aber wir bleiben dran. Somit war mein heutiger Klinikbesuch auch wieder von schönen Gesprächen geprägt.
Meine Ärztin meldet sich am Nachmittag noch einmal bei mir und empfiehlt mir noch eine Zweitmeinung einzuholen, mit einem Tipp in der BGU in Frankfurt. Auch hier kann sie mir eine Empfehlung geben und ich bekomme direkt für Mittwoch einen Termin. In dieser Klinik werden solche Sprunggelenksverletzungen häufig behandelt und die Ärzte sind dementsprechend sehr erfahren auf dem Gebiet. Das beruhigt mich ungemein, denn ich hatte in den letzten Tagen schon Google befragt, welche Kliniken in unserer Umgebung auf diese Art meiner Verletzung spezialisiert sind. Die BGU stand in unserem Umkreis mit an oberster Stelle nach den Fallzahlen. Meine nächste Chemo planen wir für diesen Donnerstag, es sei denn, es ergibt sich in der BGU etwas anderes.
Der Kampf gegen den Krebs ist noch nicht vorbei und nicht abgeschlossen. Meine Behandlung wird und muss fortgesetzt werden. Wie das nun terminlich aussieht, lässt sich jetzt noch nicht absehen. Jetzt habe ich zwei große „Baustellen“ mit meinem Körper gleichzeitig und stecke mittendrin in unserem medizinischen Versorgungssystem. Vieles ist sehr fragwürdig, aber was mir immer wieder auffällt ist das sehr engagierte und freundliche Personal. In der Klinik in Limburg ging es, für mich als Patientin gefühlt, etwas durcheinander und wirkte eher unkoordiniert. Vielleicht war ich einfach nur zur falschen Zeit dort. In Bad Homburg läuft vielleicht auch nicht immer alles rund, aber davon bekomme ich als Patientin einfach weniger mit.
Meine Bemühungen gegen eine eventuell fortschreitende Polyneuropathie kann ich indessen gänzlich vergessen. Sämtliche Prophylaxen beschränken sich nun auf den rechten Fuß, wobei das Revitive nur mit beiden Füßen angewendet werden kann, da es den Kontakt von beiden Füßen auf der Fläche benötigt. Bewegung und viel spazieren gehen sind für einige Wochen unmöglich. Mein Hautausschlag an den Händen hat sich aber wieder gebessert, vielleicht doch kein Hand-Fuß-Syndrom. Ansonsten habe ich derzeit keine Nebenwirkungen, gut, die Hitzewallungen sind schon Teil meines Alltags geworden. Meine Haare fangen tatsächlich schon wieder an zu wachsen, wobei ich sie noch einmal rasieren werde, da es noch kahle Stellen gibt und ich die Hoffnung habe, dass sie dann einfach dichter werden. Durch mein vieles Sitzen oder Liegen ist mein Thromboserisiko wieder etwas höher. Ich hoffe, der Blutverdünner, den ich in Tablettenform einnehme, kann dem ausreichend entgegenwirken. Meinen Kompressionsstrumpf am Arm trage ich seitdem fast durchgehend. Und ob die Muskelschmerzen im Oberkörper jetzt von meinen Leukospritzen oder von dem Training mit den Krücken kommen, kann ich nicht wirklich beurteilen. Was ich aber nicht verlieren werde, ist meine positive Einstellung. Ich kann alles nicht mehr ungeschehen machen und muss mich damit arrangieren. Ich schaue nach vorn und nicht zurück. Aber für 2025 brauche ich dann wirklich keine größeren Eskapaden im gesundheitlichen Bereich mehr.