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Chemozyklus 12 von 16

Heute ist Donnerstag und ich starte in meinen 12. Chemozyklus. Da ich gestern keinen Anruf aus der Klinik bekommen habe wegen schlechter Blutwerte, starte ich pünktlich um 6.20 Uhr mit dem Weckerklingeln in den Tag. Wären die Blutwerte zu schlecht, würde man einen Anruf bekommen und müsste mit der Chemo einen Zyklus aussetzen. Das handhabt die Klinik so, da sie immer am Vortag, bei mir also mittwochs, die Chemo für den Folgetag in der Apotheke bestellen müssen. Meine Blutwerte sind sogar so gut, dass ich mich diese Woche nicht spritzen muss, um die Leukos zur Neubildung anzuregen.

Ich habe heute etwas Muskelkater, aber nicht vom Sport oder den Spritzen, sondern vom Möbelaufbau am gestrigen Tag. Ich räume seit ein paar Tagen unsere Speisekammer um und wir haben bei IKEA neue Möbel gekauft. Da ich solche Projekte immer schnell abschließen möchte, habe ich gestern die Kammer ausgeräumt, die alten Regale hat Carsten abgebaut, neue Möbel gemeinsam aufgebaut und das Ganze wieder eingeräumt. Zwischendrin habe ich kurz daran gezweifelt, ob ich das alles an einem Nachmittag schaffen würde. Am Abend war ich dann überglücklich und auch ein wenig stolz, dass wieder etwas fertig geworden ist, was ich schon eine Weile mit mir gedanklich herumtrage. Zumindest weiß ich heute, woher ich meine Muskelschmerzen habe, nämlich nicht von den Spritzen der letzten Woche.

Mittlerweile ist die Taxifahrt zur Klinik und der Aufenthalt in der onkologischen Ambulanz zu einem Ritual geworden. Schließlich stecke ich jetzt bereits seit vier Monaten in der Chemotherapie. Die Menschen sind mir vertraut, wir führen sehr nette Gespräche, haben Spaß und lachen miteinander. Auch während der Chemo treffe ich immer mehr Frauen, mit denen ich mich angeregt unterhalten kann, da wir den Weg gemeinsam gehen. Irgendwie wird mir das sicher auch ein Stück fehlen, aber ich kann dann endlich den nächsten Schritt in der Bekämpfung des Krebses und somit dem Auszug von Paul gehen.

Heute kam sogar eine der Chemo-Schwestern zu mir und sagte, dass im Nachbarraum nach der Frau in Pink gefragt wurde, wo sie denn sei. Die Schwester wusste sofort wer gemeint war, denn es gibt in der Ambulanz nicht so viele Frauen, die so farblich auffallend unterwegs sind wie ich. Allerdings trug ich heute orange, aber ich hatte die Patientin gestern bei der Blutentnahme getroffen und da habe ich pink getragen. Es ist schön zu sehen, wie die Menschen auf mich und meine Art im Umgang mit der Krankheit reagieren. Genau das möchte ich ja auch sein – eine Mutmacherin, eine Zuhörerin, ein Role Model. Ja, wir haben Krebs, aber wir leben und wir kämpfen für unser Leben. Wir müssen uns nicht verstecken.

Und wie geht´s Paul? Tja, ich würde sagen, seine Einzimmer-Wohnung hat sich reduziert auf die Größe einer Besenkammer und er ist ziemlich sauer, weil man unter solch schlechten Umständen nicht gut leben kann. Denn auch der Nahrungsentzug macht das Überleben für ihn schwierig. Zumindest fühlt es sich von außen so an. Nächste Woche ist eine Kontroll-Mammografie und das Vorgespräch mit meiner Ärztin für die Bestrahlung. Da werde ich sehen, wie viel von Paul überhaupt noch übrig ist.