
Ein Fotoshooting für Krebspatienten
Das letzte Wochenende war für mich ein ganz Besonderes – der Termin für das professionelle Fotoshooting in München stand an. In Vorbereitung dafür habe ich ein paar persönliche Kleidungsstücke, meine Perücke sowie ein paar Accessoires wie Schmuck und Brillen bereitgelegt. Vor Ort gibt es ebenfalls einen Fundus aus Kleidung und Accessoires, an dem wir uns bedienen können. Ich habe schon diverse Bilder von Teilnehmerinnen gesehen und mein Plan ist es ein eher ausgefallenes Outfit zu wählen, dass ich sonst nie im Alltag tragen würde. Solch eine Chance bekomme ich wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben. Einmal in eine andere Rolle schlüpfen.
Wir reisen bereits am Samstag ganz entspannt nach München. Während der Fahrt verabreiche ich mir die zweite Spritze, die ich für die Aufbesserung meiner Blutwerte benötige. Wir besuchen Freunde, die in der Nähe von München leben und bei denen wir übernachten können. Nach einem leckeren Abendessen verbringen wir den Abend gemeinsam am Kaminfeuer. Der Sonntag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück und wir starten in Richtung Nordlicht Studio, in dem das Shooting stattfindet. Carsten wird nicht dabei sein können, da wir Teilnehmer nicht der Einflussnahme von Angehörigen unterliegen sollen, die ja ganz oft im Alltag auch als Sprachrohr für Krebspatienten fungieren. Der Fokus soll an diesem Tag auf uns als Mensch und nicht als Patient liegen und wir treffen ganz allein unsere Entscheidungen in welchem Outfit wir uns selbst gern sehen und gesehen werden wollen.
Im Studio haben sich einige Menschen versammelt – vier Teilnehmerinnen und sechs ehrenamtliche Teammitglieder von Recover Your Smile, die uns begleiten, beraten, umstylen und fotografieren werden. Es ist eine sehr angenehme und lockere Stimmung im Raum. Alle sind super nett und gut gelaunt. Ich bin überhaupt nicht aufgeregt und freue mich auf die nächsten Stunden. Wir starten mit einer lockeren Kennenlernrunde, heute sind wir dreimal Brust- und einmal Eierstockkrebs oder wie es in der onkologischen Ambulanz bei uns heißt – dreimal oben und einmal unten. Etwas erschrocken blickte ich drein, als zwei meiner vier Mitstreiterinnen erwähnten, dass sie meinetwegen hier seien. Fragende Blicke von mir und die Auflösung kommt prompt. Ich hatte Anfang der Woche eine Erinnerungsmail vom Verein bekommen und die Information, dass noch zwei Plätze für das Shooting wegen kurzfristigen Absagen frei sind. Also habe ich es in den sozialen Medien und einer Brustkrebs-WhatsApp Gruppe kund getan. Daraufhin haben die beiden Frauen die Initiative ergriffen und sich angemeldet für diesen Sonntag. Das nenne ich mal eine gelungene Mund-zu-Mund-Proganda.
Und dann geht´s los – zuerst das Shooting in einem von uns mitgebrachten Alltagsoutfit mit einem leichten Tages-Makeup. Danach dürfen wir es mit Makeup und Outfit richtig krachen lassen. Zwei Mädels gehen in die Maske und zwei tauchen im Kleiderfundus ab. Ich hatte keine Idee, in welche Richtung ich gehen würde, aber mein Outfit für das ausgefallene Shooting ist relativ schnell zusammengestellt – High Heels, Federn, Schmuck, Tüll und Leder. Die Stimmung ist super und sehr ausgelassen, es wird viel gelacht und geredet. Die Atmosphäre ist entspannt. Wir reden auch über unsere Diagnosen, aber dies hat nicht die größte Präsenz. Die Stunden vergehen wie im Flug und viele tolle Fotos entstehen – ich bin schon so gespannt auf das Ergebnis. Bereits am Montag werden wir sie bekommen.
Noch ganz euphorisiert von dem Tag und mit einem opulenten Makeup im Gesicht fahren wir in unser Hotel. Morgen nach dem Frühstück starten wir in Richtung nach Hause, mit einem Zwischenstopp bei meinen Schwiegereltern, die in Baden-Württemberg leben.
Und wie geht´s mir nach elf Chemos – ich würde sagen, ziemlich gut. Bis auf Nasenbluten und den schmerzenden Fuß, der mich im Moment daran hindert lange Spaziergänge zu machen, habe ich eigentlich kaum Nebenwirkungen von der Chemo. Mein Gedächtnis funktioniert derzeit nicht ganz so gut, ich muss mir alles, wirklich alles aufschreiben und meine Nase ist ständig verstopft, aber einen Schnupfen habe ich nicht. Am Samstag haben wir vor der Abfahrt noch fix die Glatze rasiert. Die kleinen Fusseln auf dem Kopf, die sich nun den Weg ans Tageslicht bahnen, sollten noch einmal weg.