
Unsicherheiten
Treffen wir Menschen auf eine neue, uns unbekannte Situation, dann sind wir sehr oft unsicher. Wir versuchen zu improvisieren und nähern uns dem Thema langsam an, um es zu verstehen und eine Sicherheit zu bekommen. Ähnlich ist dies auch im Umgang mit Krebspatienten, nur das hier ein langsames Annhähern an die neue Situation oft nicht möglich ist, da die Diagnose meist überraschend kommt und alles von jetzt auf gleich auf den Kopf stellt. Das kann ich sehr gut verstehen, denn wir Krebspatienten wissen oft selbst nicht, wie wir uns richtig verhalten würden. Erst kürzlich sagte eine Freundin zu mir am Telefon, dass sie mich nicht belasten oder stören will und deshlab nicth so oft anruft. Und eine andere Freundin, die wir besucht haben, meinte sie wusste nicht, ob wir aus dem Haus gehen oder ob ich auch Sport mache und spazieren gehen kann. Ja es gibt diese Tage an denen nichts geht, weil einfach die Kraft fehlt oder man einfach auch keine Lust hat. Aber uns deswegen nicht zu kontaktieren oder einzuladen ist falsch, wir fühlen uns dann ausgegrenzt. Wenn ich persönlich einen Anruf bekomme, gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten – ich gehe ran oder ich gehe nicht ran, weil ich gerade verhindert bin. Wie im normalen Leben auch. Bitte liebe Leser, versteht mich nicht falsch – ich möchte gern mein Umfeld verstehen und ihnen allen die Hand reichen. Man muss keine Angst vor einem Menschen mit Krebs haben. Im Gegenteil, es kann für einen selbst auch eine große neue Erfahrung sein – das Eintauchen in eine neue und einem selbst noch unbekannte Welt.
Ich habe nun schon einige Krebspatienten getroffen und alle haben nach nur wenigen Wortwechseln sehr offen über alles geredet. Sicherlich kenne ich nun selbst auch all zu gut, welche Triggerpunkte es gibt und welche Fragen man stellen muss, um das Schweigen zu brechen. Aber aus allen sprudelt es nur so heraus, da sie offensichtlich selbst einen großen Redebedarf haben. Das Bedürfnis sich mitzuteilen. Und ja – ich verstehe diese Patienten sehr gut, da ich oft in ähnlichen Situationen war oder diese Erfahrungen gemacht habe. Aber wenn das Umfeld versucht sich durch Fragen und Verständis dem Patienten zu nähern, kann das sicher ebenfalls eine Basis für ein gutes Gespräch sein – für beide Seiten. Und viele Patienten lenken den Fokus nach einer gewissen Zeit von sich wieder weg, um auch andere Themen anzuschneiden und am normalen Alltag teilhaben zu können. Andere Geschichten zu hören von meinem Gegenüber. Zumindest mache ich das so in einem Gespräch.
Warum gibt es dennoch Menschen in meinem Umfeld, die mich jahrelang gut kennen, die jetzt unsicher sind wie und ob sie mich kontaktieren können? Wie kann ich meinem Umfeld signalisieren, dass es OK ist für mich? Der Umgang mit mir ist seit der Krankheit ein anderer, aber ich bin doch eigentlich noch der gleiche Mensch wie vorher. Ist es vielleicht die Angst meines Gegenübers mit einem zuviel an Geschichten über den Alltag mit Krebs oder mit Leidensgeschichten konfrontiert zu werden? Wie kann ich meinem Umfeld diese Unsicherheiten nehmen? Oder ist es die Angst zu tief in dieses Thema Krebs eingesogen zu werden, von dem ich glaube es trifft nur die anderen und nicht mich selbst?
Es ist kein Desinteresse, zumindest spüre ich das nicht sobald lockere Gespräche zustande kommen, aber es sind vielleicht auch Ängste etwas falsch zu machen. Es ist nicht leicht – für beide Seiten.