
Wochenausklang
Heute ist Freitag, einen Tag nach meiner neunten Chemo und es geht mir gut. Ausnahmsweise gibt es heute Frühstück mit Kaffee und Brötchen, das machen wir sonst wochentags nicht. Aber auf Frühsport hatten wir dann keine Lust mehr, wird also auf morgen verschoben. Für den frühen Abend ist ein Kinobesuch geplant, den wir mit einem Bummel durch Limburg verbinden wollen. Da wir bereits am Nachmittag unterwegs sind, suchen wir uns ein nettes Café und genießen die Zeit bei Kaffee und Kuchen. Wir schlendern noch ein wenig durch die Innenstadt, kehren in einer urigen alten Bäckerei ein und kaufen noch zwei Brote. Bei diesen Broten schmeckt man einfach die guten Zutaten und das Handwerk. Der Laden und die Verkäuferin hinter der Theke sind gemeinsam alt geworden. Die Einrichtung ist wahrscheinlich noch aus den 60ern, aber genau das gibt ihm ein besonderes Flair. Man fühlt sich beim Betreten zurückversetzt in eine andere Zeit. Die Brotschneidemaschine wird noch mit einer Kurbel von Hand betrieben und die Auswahl an Backwaren ist nicht besonders groß. Wir lieben diesen Laden und hoffen, dass er noch lange neben all den Großbäckereien bestehen kann.
Im Kino angekommen, besorgen wir uns noch eine Tüte Popcorn und eine große Cola – das gehört einfach zu einem Kinobesuch dazu. Unsere Sitzplätze hatte ich bereits für die hinterste Reihe im Kino vorreserviert, aber wir wechselten noch einmal ein paar Reihen weiter nach vorn, da mir in den hinteren Reihen einfach zu viele Leute saßen. Es war mir zu nah und zu eng, so dass ich mich nicht getraute meine Maske abzunehmen. Nach dem Wechsel hatten wir keinen um uns herum und ich fühlte mich einfach wohler dabei. Schließlich wollte ich ja auch Popcorn essen. Der Film handelte von den Anfangsjahren der Musikkarriere von Bob Dylan – ein schräger Typ, aber mega erfolgreich bis heute. Es war ein schöner und entspannter Freitagabend.
Und genau so setzte sich der Samstag und Sonntag fort. Einfach ein entspannter Wochenausklang. Am Sonntag lockte uns strahlend blauer Himmel und Sonnenschein hinaus zu einer großen und anspruchsvollen Runde durch den Wald. Ich habe im Moment kaum Kräfteverlust und auch die Kurzatmigkeit hält sich in Grenzen, so dass ich mir solch einen ausgiebigen Waldspaziergang auch wieder zutraue. Diese Runde ist deshalb anspruchsvoll, da wir einige Höhenmeter zurücklegen müssen. Wir wohnen auf einem Berg den wir zunächst nach unten laufen. Um in den Wald zu kommen geht es wieder bergauf und am Ende müssen wir den Berg zu unserem nach Hause auch wieder hinauflaufen. In einem fitten und gesunden Zustand ist das alles kein Problem, für mich aber im Moment manchmal eine echte Herausforderung, da ich nicht einschätzen kann, wie lange meine Kräfte ausreichen. Es tat so gut in der Natur zu sein und die Stille zu genießen. Ich liebe mein Leben, unser Leben, unsere Familie, auch wenn ich sicher im Moment allen Grund hätte auf das Leben und den Krebs sauer zu sein. Aber ich kann es nicht ändern und versuche für mich das Beste daraus zu machen.
Und auch ich habe in dieser Zeit kleine Erfolgserlebnisse – mein Antrag auf Schwerbehinderung, den ich im November 2024 auf Grund meiner Krebserkrankung gestellt habe, wurde bewilligt. Der Grad der Behinderung GdB beträgt fünfzig Prozent. Mir geht es nicht um die Schwerbehinderung an sich, sondern darum, dass ich von den doch recht hohen Eigenkosten, die man als Krebspatient zu tragen hat einen Teil in der Steuererklärung geltend machen kann. Denn auch das Kranksein muss man sich leisten können.