
Nebenwirkungen
Man könnte meinen, bei mir gibt es keine Nebenwirkungen. Meine Fotos und meine Beiträge in Social Media vermitteln sicher manchmal den Eindruck, dass mir die Therapie nicht viel ausmacht und ich immer gut gelaunt bin. Da kann ich nur sagen – fragt mal meinen Mann, der kann euch die Schattenseiten der Chemo ziemlich gut beschreiben.
Die Nebenwirkungen unter der Chemo mit Epirubicin waren deutlich heftiger, als die jetzigen unter Paclitaxel. Beim EC war ich durch die zusätzliche zweitägige Cortisongabe in Tablettenform insgesamt drei Tage lang aufgeputscht und bin wie ein Flummi durchs Haus gesprungen. An Schlaf war nicht zu denken, wegen der 3-Uhr-Nacht-Tablette und der Wirkung des Cortisons auf meinen Körper. Nach den drei Tagen kam die Schlappheit und Müdigkeit – das Fatigue. Es ging einfach nichts mehr. Alles war zu viel, selbst normale Geräusche im Haus haben mich gestört und ich wäre am liebsten in dieser Zeit ganz allein in einem Erdloch verschwunden ohne Anbindung zur Außenwelt. Ab Tag sechs ging es dann auch kräftemäßig wieder langsam bergauf. Ich habe trotzdem versucht, jeden Tag einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen und die Runden täglich ein Stück zu vergrößern. Auch das fiel mir teilweise schwer, denn ich habe oft Luftnot, besonders bei Steigungen. Und die Kraft in den Beinen spielt ebenfalls oft nicht mit und ich muss kurze Pausen einlegen.
Das Nasenbluten ist ebenfalls ein ständiger Begleiter seit meiner Chemo und seit meiner portbedingten Thrombose verbunden mit der Einnahme von Blutverdünnern lässt sich die Blutung nur schwer stoppen. Mittlerweile habe ich sogar zwei bis dreimal pro Tag solch heftiges Nasenbluten, letztens sogar auf unserer Spazierrunde. Die Blutverdünner muss ich so lange nehmen, wie der Port, über den die Chemo gegeben wird, unterhalb meines linken Schlüsselbeins implantiert ist. Den super schicken Armkompressionsstrumpf trage ich fleißig weiter, obwohl er manchmal sehr lästig ist und teilweise auch Schmerzen in Form von Druck bereitet.
Schlaflosigkeit – ich schlafe ganz selten eine Nacht durch. Mich plagen Hitzewallungen und in der Nacht direkt nach der Chemo putschen mich die Medikamente im Chemococktail noch zusätzlich auf. So wie heute Nacht – um 4.45 Uhr bin ich aufgestanden, nachdem ich schon seit 3.49 Uhr wach gelegen habe. Durch die Medikamente habe ich aber keinerlei Übelkeit oder Erbrechen. Meine anfängliche Appetitlosigkeit und damit verbunden die verminderte Nahrungszufuhr haben sich mit dem Pacli ebenfalls gelegt. Die Geschmacksveränderungen und den metallischen Geschmack habe ich auch seltener, aber gewisse Lebensmittel schmecken manchmal noch anders als ich es gewohnt bin.
Von der Verstärkung meiner bestehenden Polyneuropathie bin ich bisher noch verschont geblieben. Ich knete fleißig jeden Tag mit Händen und Füßen meine Igelbälle. Während der Chemo mit Pacli trage ich Kompressionsstrümpfe an den Beinen und Tauchhandschuhe zur Kompression an den Händen. Zusätzlich bekommen wir in der Klinik während der Chemogabe zwei große Eispacks zur Kühlung für Hände und Füße.
Zusammenfassend liste ich die Nebenwirkungen hier noch einmal auf, aber auch dabei muss ich sagen, dass es bei jedem Patienten anders ist:
- Fatigue-Syndrom mit Schlappheit, Müdigkeit, Kraftlosigkeit
- innere Unruhe
- Nasenbluten
- trockene und empfindliche Mund- und Nasenschleimhäute
- allgemeine Schlaflosigkeit
- Appetitlosigkeit
- Geschmacksveränderungen, metallischer Geschmack
- Glieder- und Muskelschmerzen
- teilweise Luftnot bei Anstrengung
- Haarausfall (17 Tage nach der ersten Chemogabe), Wimpern und Augenbrauen beginnen jetzt nach der vierten Pacli erst auszufallen
- portbedingte Thrombose der Hals- und Armvene
- Gewichtsabnahme
- starke Hitzewallungen
Das alles tritt unregelmäßig auf, aber man gewöhnt sich daran. Ich habe weder Übelkeit noch Erbrechen, kann alles essen, worauf ich Lust habe und treibe zwei bis dreimal pro Woche Sport zu Hause. Wir bemühen uns täglich an der frischen Luft spazieren zu gehen und so bleibe ich in Bewegung. Es könnte mich auch schlimmer treffen, wenn ich so manche Patienten in der onkologischen Ambulanz sehe. Also bin ich einfach zufrieden mit der jetzigen Situation und mache das Beste daraus. Meine Priorität ist in diesem Jahr krebsfrei zu werden und dafür nehme ich alles in Kauf, was es dafür braucht.
Und ebenfalls eine „Nebenwirkung“ ist die Veränderung meiner Person und meiner Sichtweise auf meine Krankheit, meine Therapie, mein Leben und mein Umfeld. Das ist durchaus positiv aus meiner Sicht und ich spüre diese Veränderung auch selbst. Mir nahestehende Menschen haben mir das jetzt schon mehrfach widergespiegelt. Das ist für mich selbst sehr spannend, da ich mich frage, was diese ganze „Reise“ mit mir machen wird und welchen Weg ich danach einschlagen werde. Somit sehe ich das Ganze auch als eine Chance für Veränderung, die ich nur ergreifen muss oder teilweise sogar schon ergreife. Ich ändere mein Mindset und versuche das Positive zu sehen. Nach vorn schauen und nicht aufgeben ist die Devise.