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D-Day – Der Tag der Diagnose

Heute ist Freitag und der Tag der Befundbesprechung im Brustzentrum Bad Homburg. Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen und versuche mich am Vormittag noch mit etwas Arbeit abzulenken, denn der Termin ist erst am Nachmittag. Nebenbei höre ich noch einen Podcast von Barbara Schöneberger, die mit Annette Frier gemeinsam übers Älterwerden sinniert. Bei den Gesprächen, der beiden, muss ich, doch des Öfteren schmunzeln. Dadurch schaue ich nicht die ganze Zeit auf die Uhr.

Am Krankenhaus angekommen, steigt nun langsam auch meine Nervosität an. Vor über einer Woche wurde ich hier bereits mit der Verdachtsdiagnose „Bösartig“ konfrontiert. Außer mit meinem Mann Carsten und meiner Hausärztin habe ich noch mit niemandem darüber gesprochen. In der onkologischen Ambulanz ist es heute sehr ruhig, nur eine weitere Patientin, eine ältere Dame ist noch zum Arztgespräch hier. Dann werde ich aufgerufen, Carsten kommt mit, denn vier Ohren hören mehr als zwei und ich weiß nicht, in welcher Verfassung ich sein werde, wenn jetzt vielleicht die Diagnose ausgesprochen wird.

Die Ärztin kommt direkt und unverblümt auf den Punkt und teilt uns mit, dass die Biopsie ihre Verdachtsdiagnose bestätigt hat. Ich habe Brustkrebs – ein bösartiger Tumor, der hormonell bedingt ist. Er wächst, aber nicht extrem schnell, so die Befunde der Pathologie. Jetzt werden noch weitere Untersuchungen folgen, um genau bestimmen zu können, um was für einen Tumor es sich handelt und ob es Metastasen im Körper gibt, der Tumor also schon gestreut hat. Die Termine für eine Knochenszintigrafie mit Kontrastmittel und ein CT Thorax und Abdomen wurden bereits vereinbart, sind aber erst in knapp zwei Wochen. Also wieder warten. Zudem kommt noch, dass die Kontrastmittel derzeit nicht lieferbar sind und es gut sein kann, dass ich eine Absage für die Szinti bekomme. Die Radiologie hatte der Ärztin aber versichert, dass Patienten, die jetzt noch einen Termin haben, diesen auch wahrnehmen können. Mal schauen, wie es dann in zwei Wochen aussieht.

Bis weitere Befunde Klarheit über meinen Brustkrebs „Paul“, so hatte ich ihn ja schon benannt, da sind, bekomme ich Antihormone, die die Östrogenproduktion hemmen sollen. Da sich Paul von diesem Hormon wahrscheinlich „ernährt“, können die Medikamente diesem schon entgegenwirken. Die Ärztin erklärt mir sehr ruhig und verständlich, welche Behandlungsoptionen es gibt, die aber von der Art des Tumors und dem Vorhandensein von Metastasen abhängen. Chemo, OP, Bestrahlung alles dabei. Aber was für mich infrage kommt, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ich bin erstaunlich ruhig, meine Nervosität hat sich gelegt, denn nun habe ich eine eindeutige Diagnose. Sie ist auf keinen Fall ein Todesurteil und so sehe ich das auch. Was jetzt auf uns zukommen wird, wissen wir nicht, aber mein Mann und meine Familie werden mir die nötige Kraft dafür geben. Ich bekomme am Ende noch einen Beratungsordner, in dem alle wichtigen Dinge rund um die Diagnose Brustkrebs erklärt sind, mit Listen, die ich selbst führen kann, was bei einem Krankenhausaufenthalt und einer Brust-OP wichtig ist. Dieser Ordner wird mich nun also eine Weile begleiten. Ich bin krank, ich habe Krebs, aber ich fühle mich topfit. Ich habe bis jetzt keine körperlichen Einschränkungen und außer dem Hämatom nach der Stanzbiopsie ist mir äußerlich auch nichts anzusehen. Das muss in meinem Kopf erstmal ankommen.

Jetzt mache ich mir Gedanken, wen ich jetzt informiere und wie ich das sagen werde. Am Abend telefoniere ich noch mit meinen Eltern, mit großem Herzklopfen, denn das ist nun das erste Mal, dass ich offen darüber erzähle. Sie sind die allerersten, die davon erfahren. Meine Mutter reagiert geschockt, aber auch sehr gefasst. Uns beiden kommt sofort in den Sinn, dass meine Großmutter ebenfalls mit 52 Jahren die Diagnose Brustkrebs bekam. Zu diesem Zeitpunkt war meine Mutter mit mir schwanger – also 1972. Sie hat den Krebs damals besiegt und ist über 80 Jahre alt geworden. Das gibt mir Hoffnung, denn die Medizin ist heute so weit fortgeschritten.

Morgen sind unsere Kinder alle zum Essen bei uns, da werde ich es bekanntgeben – das wird sehr emotional, denn die Krebsdiagnose ihrer eigenen Oma liegt noch nicht so lange zurück. Am Sonntag werde ich noch meine Schwägerin, die selbst letztes Jahr an Brustkrebs erkrankt ist und meine Schwiegereltern informieren. In der nächsten Woche folgen enge Freunde und Bekannte. Ich werde mit der Diagnose sehr offen umgehen. Es gibt diesen Blog, ein Videotagebuch und ich werde allen davon erzählen. Ich will kein Mitleid, keine Sonderbehandlung, ich möchte Mut machen und meine eigene Geschichte erzählen. Das wird vielleicht einige Menschen in meinem Umfeld etwas verstören, aber das ist mein ganz persönlicher Weg. Mein Mann Carsten begrüßt dies und unterstützt mich hierbei.