Allgemein

Besuch kommt

Wenn man Besuch von liebgewonnen Menschen und Lebensbegleitern bekommt, ist das etwas ganz Wundervolles. Man sitzt mit lieben Freunden zusammen und redet über Gott und die Welt, genießt leckeres Essen und feiert die gemeinsame Zeit. Ein Termin ist schnell gefunden und fest im Kalender eingetragen, nur ein wichtiges unvorhersehbares Ereignis kann diesen Eintrag wieder löschen. Als Gastgeberin mache ich mir Gedanken, was es zu essen und zu trinken geben soll und wie wir die Zeit verbringen werden. Der Einkauf wird geplant und das Haus geputzt. So oder ähnlich läuft es bei allen normalerweise ab. Aber normal gibt es bei uns eben im Moment nicht.

Aktuell ist es bei uns so – der Termin wird unter Vorbehalt gemacht, mit dem Hinweis, dass ich schauen muss, wie es mir körperlich geht. Im schlimmsten Fall müssen wir alles canceln, aber das kann ich natürlich erst kurz vorher oder an dem Tag selbst sagen. Für Freunde, die eine weitere Anreise haben, ist das natürlich planungstechnisch schwierig. Dennoch haben wir es gewagt und langjährige Freunde eingeladen, die eine fast 4-stündige Anfahrt auf sich nehmen, um uns zu besuchen. Darüber freuen wir uns riesig und der Termin liegt in dem Zeitraum meiner guten Tage während einem Chemozyklus. Das wird ebenso die erste Übernachtung mit Gästen im Haus sein seit meiner intensiven Therapie und ich bin gespannt, ob ich diese zwei Tage auch wirklich gut durchhalten werde. Vor der Krebsdiagnose hätte ich mir nie darüber Gedanken gemacht. Das Leben war einfach so selbstverständlich.

Letzten Donnerstag war es dann so weit. Anfang der Woche, während meiner Down-Tage, gab es noch ein Telefonat zum letzten Check und wir haben den Termin in guter Hoffnung dabei belassen, dass ich bis dahin wieder fit bin. Ich habe einen Einkaufszettel geschrieben und gemeinsam mit Carsten alles besorgt. Er lässt mich im Moment nur ungern allein außer Haus wegen des unkontrollierten Nasenblutens. Einerseits beruhigt mich das, wenn er mich begleitet, aber andererseits macht mich das auch ziemlich unselbständig, was ich so gar nicht gewohnt bin. Was ich davon besser finde, weiß ich noch nicht so recht. Was ich allerdings diesmal nicht gemacht habe, ist das ganze Haus zu putzen. Warum macht man das eigentlich immer, wenn Besuch kommt? Man lebt doch die restlichen Tage nicht zwischen Dreck und Unordnung.

Was ich aber getan habe, ist mir Gedanken zur ersten Begegnung zu machen. Trage ich Perücke? Oder Brille? Oder gar nichts? Für mich ist unser Haus mein Safe-Space. Ich kann mich frei bewegen und so sein, wie ich mich gerade fühle. Dass ich mir nun aber einen Kopf darum mache, wie ich unseren Freunden zum ersten Mal als kranke Sabine persönlich gegenüber treten möchte, ist schon seltsam. Und als krank möchte ich eigentlich auch nicht behandelt werden, aber ich bin es nun mal. Solche Momente kosten mich teilweise noch Überwindung. Ich wirke sicherlich nach außen sehr selbstbewusst, aber tief in mir drin bin ich manchmal am Zweifeln. Allerdings bestätigt mir meine Außenwelt, dass der selbstbewusste Weg der Bessere ist und das rufe ich mir dann immer wieder ins Bewusstsein zurück. Ich möchte zeigen, dass die alte Sabine noch da ist, auch wenn die äußere Erscheinung derzeit eine andere ist. Die meisten Menschen, denen ich gegenüber trete, sind überrascht – einerseits sicher wegen meines kahlen Kopfes, aber andererseits wegen meiner Energie, die ich allen entgegenwerfe. Ich wirke einfach nicht krank und entspreche nicht dem Bild eines krebskranken Menschen, das alle automatisch im Kopf haben – zumindest nicht an meinen guten Tagen.

Die zwei Tage vergingen wie im Flug. Es war so schön und so intensiv. Natürlich auch etwas anstrengend, denn ich möchte meine Rolle als Gastgeberin ebenfalls gut ausfüllen – zumindest im Rahmen meiner derzeitigen Möglichkeiten. Das kann ich einfach nicht ablegen, auch wenn Carsten hier sicher alles hätte übernehmen können. Aber ich habe einen Plan für mich im Kopf und bin es nicht gewohnt, untätig herumzusitzen. Daran ändert auch die Brustkrebserkrankung nichts.