
Job & Therapie – eine echte Herausforderung
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich immer sehr aktiv und engagiert bin. Seit 15 Jahren führen Carsten und ich unsere gemeinsame IT-Firma, es gibt eine klare Aufgabenteilung zwischen uns. Kundentermine nehmen wir häufig zu weit wahr, denn vier Ohren hören mehr als zwei. Seit Corona finden diese meist online statt. Wir teilen uns ein Büro und sind 24 Stunden am Tag zusammen, was sehr gut läuft. Ich engagiere mich sehr viel ehrenamtlich, meistens überregional und alles per Remote von zu Hause. Im letzten Jahr habe ich noch eine freiberufliche Tätigkeit als Vereinsberaterin begonnen und war häufig auch allein unterwegs.
Als ich die Diagnose Brustkrebs bekam, war ich fest entschlossen mein Arbeitspensum wie gewohnt weiterzuführen. Niemals habe ich daran gedacht, dass mich etwas stoppen könnte. Und Arbeit kann ebenso eine gute Ablenkung sein. Heute – drei Monate später und mitten in der Chemotherapie weiß ich, warum ich seit Anfang Dezember eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe. Job und Akuttherapie passen einfach nicht zusammen. Sicher gibt es einzelne Tage, an denen man seiner Arbeit nachgehen könnte. Aber die meiste Zeit verbringt man bei Ärzten, in der Therapie oder auf dem Sofa. Als Selbständige bin ich gerade jetzt mehr als dankbar, dass ich beim Wechsel in die freiwillig gesetzliche Versicherung die Zusatzoption mit Krankengeld ab dem 42. Tag hinzugebucht habe. Mein monatlicher Krankenkassenbeitrag ist dadurch zwar höher, aber im aktuellen Krankheitsfall habe ich nun Anspruch auf Krankengeld, dass mir die Krankenkasse zahlt. Somit ist mein Verdienstausfall zumindest teilweise kompensiert.
Gerade bei Selbständigen ist der Ausfall der eigenen Arbeitskraft über einen längeren Zeitraum oftmals auch mit einem Wegfall des kompletten Einkommens verbunden. Das kann für viele absolut existenzbedrohend sein. Dieses Risiko tragen wir Unternehmer immer mit uns. Wir hoffen, dass uns langwierige Erkrankungen oder Ausfälle aus dem Berufsleben erspart bleiben. Aber manchmal kommt es eben anders als man denkt. Als Arbeitnehmer in einem Angestelltenverhältnis braucht man sich darüber keine Gedanken zu machen, da zumindest ein prozentualer Teil des bisherigen Einkommens bis zu 78 Wochen weitergezahlt wird.
Arbeiten kann ich nur bedingt und selten, da die Konzentrationsfähigkeit, die ich für eine komplexe Kopfarbeit benötige, häufig nur eingeschränkt möglich ist. Meine Ehrenämter habe ich ebenfalls fast auf Null reduziert. Das startsocial Coaching für eine gemeinnützige Initiative kann ich dank der tollen Unterstützung von meinem Co-Coach Burkhard in den letzten beiden Wochen noch zu Ende bringen. Hierbei handelt es sich um eine reine Online-Beratung für 1,5 Stunden pro Woche, bei der sich unser aktiver Part auf das reine Coaching begrenzt. Und beim Verein Herzenssache habe ich noch einen Förderantrag für neue Fördergelder auf den Weg gebracht. Ansonsten bin ich auch hier aus allen Aktivitäten raus. Wie lange das nun alles so bleiben wird, kann ich heute noch nicht sagen, aber es nimmt mir den Druck irgendetwas erledigen zu müssen, was ich vielleicht nicht einhalten kann.
Ein Motivationstief und körperliche Schwäche lassen sich nicht planen und vorhersagen. Ohne irgendwelche Verpflichtungen und Termine muss ich mich bei niemandem entschuldigen und kann meinem Körper das geben, was er braucht. Und zwar ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Eine Begebenheit zum Schmunzeln hatte ich letzten Donnerstag bei der Chemo. Meine „Nachbarin“ auf der Chemoliege hatte ihre erste Chemo. Sie ist ebenso motiviert und ehrgeizig wie ich am Anfang in Bezug auf Vereinbarkeit von Beruf und Therapie. Da die Nebenwirkungen bei jedem anders sind, kann es durchaus sein, dass sie das gut hinbekommt. Aber meine eigene Erfahrung zeigt, dass die Akuttherapie einem kräftemäßig alles abverlangt und viele Dinge des Alltags darunter leiden. Die eigenen Ressourcen müssen geschont werden und auch die Prioritäten verschieben sich deutlich. Wir werden uns die nächsten Wochen immer donnerstags begegnen – ich bin gespannt, wie es bei ihr sein wird.