
Tschüß Haare….
…wir sehen uns in 2025 wieder!! Nun war es also so weit. Der Moment, vor dem ich doch etwas Bammel hatte. Zwei Tage vor Heiligabend rasieren Carsten und ich gemeinsam meinen Kopf und befreien ihn von den Haaren, die nun langsam anfangen auszufallen. Die Ärztin in der Klinik hatte genau das vorausgesagt – am siebzehnten Tag nach der ersten Chemo. Ja, ich könnte abwarten bis sie alle von selbst ausfallen, aber ich nehme Dinge gern selbst in die Hand – wenigstens dieses Mal, ein Hauch von Selbstbestimmung.
Man glaubt gar nicht, wie wichtig Haare und eine Frisur sind. Menschen bekommen dadurch eine Identität. Ich muss jetzt eine neue Identität für mich finden. Es ist aber auch eine Möglichkeit für mich in verschiedene Rollen zu springen – mit Perücke, mit Mütze, auf welche Farbe habe ich heute Lust oder einfach nur ohne alles. Ich darf selbst entscheiden, je nach Gefühlszustand und meiner Verfassung. Keiner kann mir das vorschreiben. Das fühlt sich gut an, bei all dem Drama, was es bedeutet seine eigenen Haare abzurasieren.
Wir sind also im Bad und bereiten alles vor, inklusive des Kamerastativs, denn ich möchte diesen Moment festhalten. So einmalig er ist, so hoffe ich auch, dass ich ihn nie wieder erleben muss. Ich nehme auf dem Hocker Platz und Carsten beginnt mit der höchsten Stufe des Langhaarschneiders zu rasieren. Es fallen kaum Haare, also dann doch zwei Stufen niedriger. Ich setze schließlich selbst an und ziehe von der Stirn bis zum Hinterkopf durch. Eine Schneise des Kahlschlags zieht sich durch meine Haare. Ich habe es mir schlimmer vorgestellt, es ist irgendwie auch befreiend. Bevor alle Haare fallen, hinterlässt Carsten noch ein Herz auf meinem Kopf – wie süß, als ich es von oben auf dem Foto betrachten kann. Ja, ich könnte jetzt weinen, aber das wird nichts an der Situation ändern. Also versuche ich dem Ganzen auch etwas Positives abzuringen.
Wir rasieren weiter den gesamten Kopf. Mit einem Flaum aus Haaren in zehn Millimeter Länge stehe ich vorm Spiegel und schaue mich an. Ein ungewohntes Bild, aber nicht schockierend. Ich erkenne mich noch. Ich reguliere den Rasierer auf 2 mm „Länge“ und setze nochmals an, denn so gefällt es mir überhaupt nicht. Nur wird es richtig radikal bis auf die Kopfhaut und es fühlt sich gut an. Da steht es nun, mein neues ICH. Eine irre Veränderung, ich glaube nicht nur im Spiegel, aber das werden die nächsten Wochen zeigen. Für die Zeit der Chemo ist das mein neuer Look. Was danach kommt, weiß ich nicht. In diversen Foren lese ich von grauem, lockigen Haarwuchs und veränderter Haarstruktur. Meine Gedanken jetzt daran zu verschwenden ist nicht nötig und bringt auch nichts.
Für die Vorher – Nachher – Bilder pimpe ich mich inzwischen noch ein wenig auf. Im Schminkkurs für Krebspatienten habe ich einiges gelernt. Das Schminken dauert nun länger als die „Haarpflege“, hatte ich so auch noch nie. Mir gefällt, was ich sehe. Mit Brille oder ohne – der Kopf hat eine schöne Form und die dezente Farbe im Gesicht betont es sehr gut.