
„Nur“ eine kleine OP
Mit meiner Naivität und Unwissenheit gepaart mit Optimismus nehme ich den Termin zur Vorbereitung für das Einsetzen des Ports, das auf morgen datiert wurde, wahr und sitze in der Gefäßchirurgie. Ein kleiner, versteckter und unscheinbarer Trakt der Hochtaunusklinik. Vom Haupthaus nicht zu sehen und man denkt, man landet der Wegbeschreibung nach im Nirgendwo. Außer mir sind keine weiteren Patienten hier, also könnte ich ja durchaus auch recht schnell wieder draußen sein, so mein erster Gedanke. Die ersten fünfzehn Minuten verbrachte ich mit dem Warten auf die Dame in der Anmeldung. Das Aufnahmeprozedere mit all dem netten Papierkram dauert ebenfalls nochmal fünfzehn Minuten. Mir stellt sich die Frage, warum ich all das noch einmal durchlaufen muss? Ich bin bereits Patientin in dieser Klinik und habe eine Akte hier im Haus. Corona scheint mittlerweile auch wieder ein Thema zu sein, denn hierzu werden mir viele Fragen gestellt – wann und wie viele Impfungen, selbst an Corona erkrankt und wann, Kontakt zu Coronainfizierten aktuell – und noch weitere folgen.
Da der Arzt für mein Vorgespräch nicht abkömmlich ist von der Station, muss ich mit all meinen Siebensachen ihn genau dort konsultieren. Ich wühle mich also durch unzählige Krankenhausgänge über die Treppe in den zweiten Stock und dann warte ich wieder. Mittlerweile bin ich über eine Stunde hier und hatte immernoch kein Arztgespräch. Der Alltag eines Arztes im Krankenhaus ist sicher nicht leicht und wenn dann auch noch ambulante Termine dazukommen, macht es das nicht besser. Ich habe dafür absolutes Verständnis und warte geduldig, während ich das Treiben am Empfangstresen der Station beobachte. In meiner Ausbildung als Krankenschwester Anfang der 90er gab es nur ein Stationszimmer, aber keinen Empfangstresen mit einer Sekretärin, die sich auch so vorstellt. Sie übernimmt alle bürokratischen Dinge, sodass das Pflegepersonal sich auf die Versorgung und vor allem Pflege der Patienten konzentrieren kann. Das finde ich toll.
Mein Arztgespräch verläuft wie erwartet – nun bin ich aufgeklärt über Dinge, die ich eigentlich nicht wissen will und auch nicht hoffe, dass sie eintreten werden. Spoiler – morgen werde ich mich im Nachgang ganz genau daran erinnern. Die OP wird unter lokaler Betäubung durchgeführt – wir sprechen hier von einer kleinen „Dose“, dem Port, mit einem Schlauch, der direkt in die Vene eingefügt wird, unter der Haut platziert und am Muskel festgenäht wird. Die bebilderte Beschreibung dieses Vorgangs bewegt mich nach einer Vollnarkose fragen. Keine Chance, dann braucht man die Anästhesie und der Termin für den Port könnte nicht morgen stattfinden, so der Arzt. „Sie brauchen keine Angst zu haben“ sind seine Worte. Doch – ich habe Angst und zwar davor, dass ich mit anhören muss, wie die Instrumente des Operateurs klappern und ich mir bildlich vorstelle, dass er gerade an und in mir herumschneidet.
Eine Uhrzeit für meine OP bekomme ich hier aber nicht, denn das wird in der Leitstelle für die ambulanten OP´s terminiert. Also zurück über unendlich lang erscheinende Krankenhausflure zur Leitstelle, die mir eine Uhrzeit für den nächsten Tag gibt – 10.00 Uhr klingt super, dann müssen wir nicht ganz so zeitig losfahren. Ich will noch kurz Unterlagen in der onkologischen Ambulanz vorbeibringen, wenn ich schonmal hier bin und auch nach einem Rezept für die Perücke fragen. Und da ist sie wieder – die äußerst uncharmante, leicht genervte Schwester in der Anmeldung. Sie sitzt am PC, hat den Telefonhörer in der Hand und redet mit mir. OK – Multitasking kann ich auch, aber auf mich als Patient mit meinem Anliegen in diesem Moment wirkt dies verstörend. Ich habe nicht ihre hundertprozentige Aufmerksamkeit und bekomme das Gefühl, dass Dinge, die ich sage, nicht komplett wahrgenommen werden. Ja ich weiß, viel los und viel zu tun, aber ein blödes Gefühl für mich als ihr Gegenüber.
Sie kanzelt mich ziemlich schroff ab. Ich bin hier als neue Patientin und kenne die Abläufe noch nicht. Wann wer mit mir sprechen will oder muss und wann ich das Rezept für die Perücke bekomme. Ich fühle mich ganz klein mit Hut, atme tief durch und frage, ob ich lieber morgen nach der OP nochmal kommen soll, um alles Weitere zu besprechen. Wir beide werden wohl keine Best Friends während meiner Behandlung in der onkologischen Ambulanz. Ich habe Verständnis für Schwestern, Ärzte und alle die dort arbeiten und was sie leisten müssen jeden Tag. Ich stand selbst schon auf der Seite der Schwester und habe mit Patienten und Angehörigen zu tun gehabt. Aber jeder Patient kommt mit seinem eigenen Problem und ist als kranker Mensch dort auf die Hilfe der Wissenden, des Personals, angewiesen.
Carsten gibt dieser Schwester nun ab sofort den liebevollen Namen Elfriede.