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Tränenlos

Ich habe noch nicht ein einziges Mal in dieser gesamten Zeit geweint, noch nicht eine Träne vergossen angesichts meiner Diagnose. Und doch hätte ich allen Grund dazu – oder? Bin ich gefühlskalt oder einfach zu kontrolliert? Unterdrücke ich unterbewusst den Impuls einfach loszuheulen und alles rauszulassen? Ja, ich bin ein Kopfmensch. Mich triggert, auch unterbewusst, ziemlich viel. Das Meiste geht mir nachts durch den Kopf und lässt mich schlaflos im Bett von einer Seite auf die Andere wälzen. Ich stehe zeitig auf, für meinen Mann definitiv immer zu früh. Wir nennen es liebevoll die senile Bettflucht. Wobei – ein Langschläfer war ich noch nie.

Bei schönen und bei traurigen Dingen kann ich durchaus sehr nah am Wasser sein. Kann heulen und den Gefühlen freien Lauf lassen. Aber warum nicht jetzt? Durch meinen öffentlichen Umgang mit meiner Diagnose bin ich ebenfalls in den sozialen Medien wie Instagram und Facebook aktiv. Dort lese ich immer wieder von Krebspatienten, die viel weinen. Und dann frage ich mich, warum bin ich so anders? Muss ich dieser Eigenart auf den Grund gehen? Ist das ein typischer Charakterzug für gefühlsarme Menschen? Psychologen hätten jetzt sicher eine gute und wissenschaftlich belegte Antwort darauf.

Vielleicht wird das ja auch ein Teil meiner neuen Reise. Zu mir selbst finden, mich selbst besser kennenlernen und Dinge, die ich tue einfach mehr zu hinterfragen. Versuchen, mich selbst zu verstehen. Auf der Gefühlsebene und nicht auf der Kopfebene.