
11 – 7 – 5
Es sind nicht die letzten 5 Ziffern meiner Steuernummer, an der ich im übrigen gerade sitze. Und es ist auch nicht die PIN für´s Online-Banking. Ich bin ein Zahlenmensch und so verbinde ich meine Meilensteine während der Chemotherapie auch immer mit Zahlen. Es ist Donnerstag, ein erneuter Chemotag und der Tag der Zahlen. Das Taxi steht bereits fünfzehn Minuten früher vor meiner Haustür und so bin ich um 7.05 Uhr bereits auf dem Weg in die Klinik. Zum allerersten Mal betrete ich als erste Patientin morgens die ambulante Onkologie. Es ist still, nur die Schwestern sind in bei den Vorbereitungen für den Tag. Gespenstisch, aber irgendwie auch schön die Ruhe vor dem Sturm, der später definitiv wieder hier eintreten wird.
Die Nacht zuvor habe ich genauso schlecht wie alle anderen Nächte geschlafen. Das ist mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich und auch eine Nebenwirkung der Chemo. Ich wache öfters auf, kann nur sehr schwer wieder einschlafen. Werde von Hitzewellen geweckt, um kurz darauf schweißgebadet das Frieren anzufangen. Meine Nase ist zugeschwollen, obwohl ich keine Erkältung habe. Letztens kam bei der Chemo die Vermutung auf, dass es eventuell auch ein Heuschnupfen sein könnte, der sich unter der Chemo entwickelt hat – aber nachts?? Mich macht es wahnsinnig, wenn ich nur durch ein Nasenloch atmen kann. Dann atme ich durch den Mund, der dadurch sehr schnell austrocknet. Die Summe all dieser nächtlichen Ereignisse machen es mir unmöglich in letzter Zeit auch nur eine Nacht durchzuschlafen. Einziger Trost dabei – ich kann mich tagsüber ausruhen, wenn es mein Körper braucht.
Und was bedeuten nun die Zahlen in der Überschrift? Die Erklärung ist ganz einfach – heute war Chemo Nummer 11. Es war die 7. Paclitaxel und bis zum geplanten Ende meiner Chemotherapie sind es nur noch 5 Chemozyklen. Ich kann die Chemos nun endlich an einer Hand abzählen und das ist ein großartiges Gefühl. Gestartet bin ich beim Zählen mit vier Händen, nämlich bei 16 Chemozyklen. Wenn ich darauf schaue, bin ich mega stolz auf mich. Die letzten Wochen und Monate waren nicht immer leicht, aber ich habe mich bis hierhin durchgekämpft. Ich habe niemals aufgegeben und nur nach vorn geschaut. Für mich ist ein Glas niemals halb leer, sondern immer halb voll. Aufgeben war zu keiner Zeit eine Option für mich. Und so werde ich den Kampf gegen den Krebs auch weiterführen.
Seit über einer Woche habe ich Belastungsschmerzen in der rechten Fußsohle, im Fußgewölbe. Die Brustschwester äußerte letzte Woche die Vermutung eines Fersensporns, den ich aber ausschließen kann. Der Schmerz ist nicht in der Ferse. Beim Laufen verspüre ich einen stechenden Muskelschmerz, bei jedem Schritt und egal in welchem Schuh. Barfußlaufen ist besonders schmerzhaft und macht mir nachts nun ebenfalls zu schaffen, wenn ich zur Toilette gehe. Ich schmiere das allseits beliebte Voltaren drauf, aber bisher gibt es keine Besserung. Heute habe ich das nochmals bei der Chemo angesprochen und es kann durchaus auch eine Nebenwirkung der aktuellen Behandlung mit den Taxanen sein. Also werde ich es erstmal weiter beobachten und auf Besserung hoffen. Lange Spaziergänge sind von daher momentan währenddessen und danach mit Schmerzen verbunden. Nach meiner täglichen Massageeinheit der Füße mit den Igelbällen tritt kurzfristig eine schwache Linderung ein. Mehr als abwarten kann ich jetzt also nicht tun.
Beim Blick auf meine Blutwerte von gestern, musste ich feststellen, dass meine Leukos jetzt ebenfalls von Woche zu Woche niedriger werden. Das heißt mein Immunsystem fährt langsam auf Sparflamme, ich bin empfänglicher für Viren und Bakterien und muss mich somit noch mehr vor Ansteckungen schützen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mir ein Medikament (Zarzio) spritzen muss, dass meine Leukozytenproduktion anregen soll. Zwei Tage lang, unter die Haut. Es kann Muskelschmerzen im unteren Rücken und in den Beinen machen. Ich hatte gehofft, dass mir das Spritzen erspart bleibt.
Dennoch gibt es auch positive Nachrichten – nach sieben Chemos mit Paclitaxan, das als Nebenwirkung eine Polyneuropathie an Händen und Füßen auslösen kann, hat sich meine schon bestehende Polyneuropathie in den Füßen bisher nicht verschlechtert. Auch habe ich an den Fingern kein Taubheitsgefühl. Vielleicht bleibe ich bis zum Ende der Chemotherapie davon verschont. Einen Grund zum Jubeln gibt es dann aber erst am Ende, denn je länger und intensiver der Chemococktail auf meinen Körper einwirkt, umso mehr Nebenwirkungen können sich auch jetzt noch einstellen. Von daher bin ich zunächst nur verhalten optimistisch.
Am Mittwoch war ich nach meiner Blutkontrolle in der Klinik mit einer Freundin zum Frühstück im Sunflower Gartencenter in Frankfurt-Kalbach verabredet. Carsten setzte mich dort ab und fuhr weiter zu einem Treffen mit einem Freund. Im Restaurant hatten wir beide einen guten Start in den Tag bei leckerem Essen und einem unbeschwerten Freundinnenplausch. Das war so schön, denn ich war seit langem mal wieder allein unterwegs. Am Mittag holte mich Carsten wieder ab und übergab mir einen wunderschönen Blumenstrauß. Der kam nicht von ihm ;-). Die Frau unseres Freundes hatte ihren Mann beauftragt, diesen zu besorgen und an mich weiterzuleiten. Darüber gefreut habe ich mich riesig und später persönlich bei ihr bedankt natürlich auch.