
Nichts auslassen
Es ist Montag, ein Tag vor Silvester. Mein ursprünglicher Termin zur Blutkontrolle in der Klinik wurde für heute abgesagt, da meine Blutwerte super sind und somit der Chemo in dieser Woche nichts im Weg steht. So könnte ich also in Ruhe alles für unser Silvester zu zweit vorbereiten, mich in das Einkaufsgetümmel stürzen, um die letzten Lebensmittel zu besorgen. Meine Brillen beim Optiker abholen, etwas Büroarbeit zum Jahresabschluß erledigen und ganz entspannt den restlichen Tag genießen. Ein guter Plan, aber es kommt wieder einmal ganz anders.
Bis auf die Entspannung habe ich alles erledigen können bis zum Mittag. Danach lief alles anders. Vor ein paar Tagen bemerkte ich eine stark gestaute Halsvene und einen Knubbel darunter. Diese Stelle war zudem auch sehr schmerzhaft. Bei der wöchentlichen Blutkontrolle am Donnerstag zeigte ich das den beiden Chemoschwestern, die dies aber nicht für weiter bedenklich hielten, aber mir den Hinweis gaben, wenn es sich nicht bessert einen Arzt draufschauen zu lassen.
Es wurde nicht besser, sondern noch schlimmer. Die Schmerzen breiteten sich in den darauffolgenden Tagen noch bis zum Oberarm aus, ich hatte das Gefühl permanent einen Tennisball in der Achselhöhle zu haben. Es war so ein Druck und Schmerz auf der linken Seite. An Schlaf war nachts nicht zu denken aufgrund der Schmerzen. Da half nur das gute alte Ibuprofen. Aber ich wollte auf keinen Fall nun dauerhaft Medikamente nehmen, damit der Schmerz ausgeschaltet ist. Es muss eine Ursache haben. Ich machte mir so meine Gedanken, denn der Port sitzt ebenfalls links. Ist es ein Stau? Ist der Port vielleicht dicht?
Da alle Arztpraxen geschlossen hatten und die Schmerzen mittlerweile ohne Ibu nicht erträglich waren, fuhren wir also in die Klinik. Zunächst zum Brustzentrum, denn dort ist heute normaler Tag und sicher auch ein Arzt anwesend. Der Chemotrubel vom Vormittag war bereits vorbei und es war ruhig in der onkologischen Ambulanz. Ich schilderte meine Beschwerden und konnte Platz nehmen. Erleichterung machte sich in mir breit, denn das Worst Case wäre die Notaufnahme gewesen, die ich ansonsten aufgesucht hätte. Noch ein Pluspunkt – meine behandelnde Ärztin war auch da. Ich musste nicht lange warten und sie bat mich herein. Sie schaute sich den Arm und den Hals an und äußerte sehr schnell die Vermutung einer portbedingten Thrombose. Ich hatte schon davon gehört und es ist eine mögliche Kompliaktion, die auftreten kann im Zusammenhang mit einem Port. Aber muss nun ausgerechnet ich das jetzt auch noch bekommen.
Kurz darauf fand ich mich auf der Gefäßchirurgie wieder und wurde von dem Arzt begutachtet, der mir auch den Port vor fünf Wochen gelegt hatte. Ich erkannte ihn an der Stimme, denn im OP war er ja eingehüllt in OP-Kleidung. Er bestätigte den Verdacht der Gynäkologin – portbedingte Armvenen- und Halsvenenthrombose. Laut seinen Worten war ich frühzeitig und vor allem rechtzeitig gekommen. Es ist gut behandelbar. Zu meiner Erleichterung muss ich nicht in der Klinik bleiben, es muss nichts am Port gemacht werden – zwei Dinge vor denen ich echt Angst hatte. Ich bekam direkt auf Station eine Thrombosespritze und eine Erstausstattung Blutverdünnertabletten, die ich nun so lange nehmen muss bis der Port wieder entfernt wird. Das kann also eine ganze Weile dauern.
Nächste gute Nachricht an diesem Tag – die Chemo kann weitergehen. Mein linker Arm muss die nächsten Tage mit Kompression versehen werden. Dafür wurde mir ein Kompressionsstrumpf verschrieben, den ich zu meinem Glück im Sanitätshaus bekam, dass sich auf dem Klinikgelände befindet. Nach fast drei Stunden, bei einbrechender Dunkelheit und großer Erleichterung verlassen wir die Klinik in Richtung nach Hause. Letzte Herausforderung an diesem Tag – das Einlösen des E-Rezeptes für die Blutverdünner. Ich hatte noch nie ein E-Rezept und die Dame im Sanitätshaus hatte gerade Probleme beim Einlesen meiner Krankenkassenkarte. Also war ich nun gespannt, ob unsere Apotheke am Ort das alles problemlos hinbekommt oder ob noch eine weitere Challenge an diesem Tag auf uns wartet.
Fazit des Tages – sobald du das Klinikgelände betrittst ist Zeit nur noch relativ. Du solltest reichlich davon mitbringen und vor allem Geduld. Die Sache mit dem E-Rezept ist klasse, denn so ist es auch möglich ein Rezept zu bekommen ohne vorher zwingend den Arzt aufsuchen zu müssen. Und kranksein muss man sich ebenfalls leisten können – fast vierzig Euro sind nur allein für Zuzahlungsgebühren und Parkkosten draufgegangen.