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Sechs Menschen

Es ist Samstag und wir sind zum Frühstück in einem Restaurant auf dem Feldberg verabredet. Es ist ein besonderes Treffen. Wir treffen uns mit den beiden Frauen, die ich während meiner Chemotherapie in der Klinik kennengelernt habe und deren Ehemännern. Ein Termin, den wir lange geplant haben und auf den wir uns alle sehr gefreut haben. Dennoch war bis kurz vorher nicht klar, ob er stattfinden wird.

Während meiner Chemozeit lernte ich einige Menschen in der Klinik kennen. Manche flüchtig und andere etwas intensiver. Aber mit zwei von ihnen entstand ein enger und freundschaftlicher Kontakt, der bis heute anhält. Unsere Therapien waren ähnlich, alle drei mit Brustkrebs. Jede von uns durchlief die Chemo, dann kam Bestrahlung und brusterhaltende Operation. Ende Juli hatten wir alle die Akuttherapie überstanden und abgeschlossen, die eine sogar etwas früher. Aber unser Kontakt blieb, obwohl wir uns nicht mehr so regelmäßig sahen. Sie waren beide auf meiner Happy Life Party dabei und wir halten uns über Whatsapp auf dem Laufenden. Das ist so wertvoll, denn es ist der Austausch unter Gleichgesinnten. Wir durchlaufen alle noch nachgelagerte Therapien, sind aber zunächst vermeintlich krebsfrei.

Bis zu dem Moment, als eine von uns einen neuen Knoten in der operierten Brust tastet. Erneute Untersuchungen bringen die traurige Gewissheit – nach nicht einmal vier Monaten nach Abschluß ihrer Akuttherapie erhält sie die erschütternde Diagnose, dass der Krebs zurück ist und sogar im ganzen Körper gestreut hat. Von einem auf den anderen Tag wird sie zur Palliativpatientin, die nun mit allen verfügbaren medizinischen Möglichkeiten um ihr Leben erneut kämpfen muss. Das ist so traurig und für uns beide, die wir im Moment als geheilt gelten, natürlich schon ein großer Schock. Warum ist das Leben manchmal so grausam? Wir werden direkt damit konfrontiert, dass der Krebs jederzeit zurückkommen kann. Das macht mir keine Angst, aber es stimmt mich durchaus nachdenklich. Jetzt haben Kontrolluntersuchungen für mich eine noch größere Bedeutung. Ich „beobachte“ meinen Körper ganz genau. Ich denke sehr oft an sie, frage sie wie es ihr geht. Wir telefonieren, wir schreiben. Ich fühle mir ihr und doch bin ich hilflos. Ich möchte ihr einfach beistehen, für sie da sein, so gut es eben geht.

Und um so erfreulicher war es dann, dass unser lang geplantes gemeinsames Frühstück stattgefunden hat. Die erneute Chemo schwächt ihren ausgemergelten Körper und nun kommen noch Bestrahlungen dazu. Alles ziemlich viel für den Körper, der sich von der letzten Therapie noch nicht richtig erholen konnte. Aber sie kommt und bestellt einen Kakao mit Sahne, was uns sehr freut. Es sind wunderschöne Stunden, die wir verbringen. Ja, es geht um Therapie und Krebs, aber auch um andere Themen des Alltags. Es ist wie ein Treffen mit Freunden und wird ganz sicher nicht das letzte zu sechst sein.