Schlaflos
Dass ich seit Beginn der Therapie vor über neun Monaten keine Nacht mehr durchgeschlafen habe, ist für mich nicht mehr ungewöhnlich. Ich habe angefangen, neue Abendroutinen zu etablieren, um besser in den Schlaf zu kommen. Am Abend trinke ich eine Tasse Schlaf- und Nerventee und im Bett lese ich noch eine halbe Stunde bevor ich das Licht ausschalte. Das hilft eigentlich ganz gut, denn mit dem Einschlafen klappt es nun besser. Aber das Durchschlafen ist ein echtes Problem und die Tiefe des Schlafes lässt auch zu wünschen übrig. Neben den üblichen Hitzewallungen habe ich hin und wieder auch kribbelnde Zappelbeine. Das kommt wahrscheinlich von meiner Polyneuropathie, die ich bereits seit vierzehn Jahren in den Füßen habe. Ob es ein wirksames Mittel dagegen gibt, weiß ich nicht, da ich die Ursache dafür nicht zu einhundert Prozent kenne.
Zudem war gestern auch ein sehr aufregender Tag. Ich hatte einen Termin beim Filialleiter der Taunussparkasse und durfte unser Projekt unSICHTBAR vorstellen. Begleitet von der Fotografin Anne und MakeUp Artistin Steffi, die den Kontakt hergestellt haben, war es ein sehr positives Gespräch mit Aussicht auf Unterstützung. Um aber ein offizielles Spendenkonto eröffnen zu können, benötige ich die anerkannte Gemeinnützigkeit. Das mich das irgendwann auf dem Weg der Umsetzung meiner Idee mit unSICHTBAR einholen wird, war mir klar. Aber dass ich direkt zu Beginn darüber nachdenken und handeln muss, hat mich nun doch etwas überrollt. Aber auch solche Dinge werfen mich nicht aus der Bahn. Schnell sind zwei Konstrukte gefunden, die praktikabel wären. Nun heißt es, die bürokratischen Anforderungen der Gründung einer gemeinnützigen Organisation zu durchlaufen. Mir sind die Vorgehensweisen grob bekannt und ich kontaktiere eine Beratungsgesellschaft in Frankfurt, die darauf spezialisiert ist. Diese kenne ich bereits aus meiner Ehrenamtszeit als Vereinsvorständin und den Tätigkeiten im Fundraising. Ich habe Infoveranstaltungen besucht und an Webinaren teilgenommen, die von den Anwälten oder Steuerberatern dieser Gesellschaft gehalten wurden. Dort werde ich mit meinem Gründungsvorhaben und auch mit der weiteren Betreuung nach der Gründung in guten Händen sein.
Carsten, mein Mann, steht wie immer bei solchen Entscheidungen hinter mir und unterstützt mich, wo er kann. Wir wägen gemeinsam ab, welche Rechtsform die Beste für solch ein gemeinnütziges Angebot sein könnte. Wir belesen uns viel und beratschlagen uns, was das auch für die Zukunft bedeuten kann. Meine Idee ist es unter dem Namen „unSICHTBAR“ nicht nur das Fotoprojekt zu etablieren, sondern noch andere Angebote für Krebspatienten zu initiieren. In der kommenden Woche haben wir noch ein Beratungsgespräch mit einer Spezialistin für Stiftungsgründungen unter dem Dach der Taunussparkasse. Dieser Termin wurde uns durch den Filialleiter ermöglicht und Carsten wird mich dorthin begleiten. Über die Gründung einer Stiftung haben wir schon immer mal nachgedacht. Ob jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen ist, wissen wir noch nicht.
Aber eines weiß ich ganz sicher – das ist mein neuer Weg, mein neues Kapitel im Buch meines Lebens. Das alles lässt mich auch versöhnlich auf die letzten Monate blicken. Ohne den Krebs und die Therapie wäre ich heute nicht an diesem Punkt. Es ist die Chance auf einen Neustart und davon gibt es nicht viele im Leben. Chance trifft auf Gelegenheit und ist das Ergebnis von Vorbereitung darauf.
Diese ganze Aufregung hat mich wahrscheinlich auch um meinen Schlaf gebracht.
