
OP-Tag
Unser Wecker klingelt um sechs Uhr, wobei viel geschlafen habe ich eh nicht. Gefühlt bin ich eigentlich nicht aufgeregt. Ich mache mir eher einen Kopf, ob ich alles in meiner Kliniktasche eingepackt habe. Kurz nach halb acht sind wir in der Klinik und ich checke auf der präoperativen Station ein. Anders als in der BGU bekommt man hier direkt sein Bett zugewiesen und hat einen mobilen Kleiderschrank, der dann auch später auf´s Zimmer gebracht wird. Ich kann also direkt meine Sachen in den Schrank einsortieren. Für die Wertsachen gibt es ein Schließfach. Die Schwestern hier sind alle sehr nett und ich fühle mich wohl und gut aufgehoben.
Mein erster Termin für diesen Tag ist bei meiner behandelnden Ärztin im Brustzentrum, die mich auch operieren wird. Sie legt unter Ultraschall eine Drahtmarkierung an den Clip, der in der OP entfernt wird. Dieser Clip wurde zu Beginn der Therapie am Tumor platziert, sodass man die Stelle wiederfindet, wenn der Tumor weg ist. Der Draht ist hauchdünn und die Einstichstelle wird lokal mit einer Spritze betäubt. Ich spüre nichts davon, kann aber auf dem Ultraschall zuschauen, wie der Draht zum Clip vorgeschoben wird. Fünfzehn Minuten später bin ich fertig und gehe zurück auf die präoperative Station. Ich habe noch etwas Zeit und lege mich entspannt auf mein Bett und lese in einem Buch. Mein nächster Termin ist erst um neun in der Radiologie.
Dort wird eine zweite Drahtmarkierung gelegt. In der letzten Mammografie wurde Mikrokalk festgestellt, der eine Vorstufe von Krebs sein kann. Dieser soll ebenfalls entfernt werden. Die Markierung muss aber in der Mammografie gemacht werden, da sich Mikrokalk im Ultraschall kaum zeigt. Das Verfahren ist schon etwas komplizierter. Als erstes erfolgt eine Mammografie, um zu schauen, wo der Kalk ist. Die Schwester fragt mich, ob der Schmerz beim ersten Draht erträglich war. Ich wundere mich und sage, dass es eine Betäubung gab. Sie schaut mich etwas verdutzt an und meinte, dass sie nur eine Betäubungssalbe für die Haut haben. OK – nützt nichts, da muss ich wohl durch. Die Brust wird erneut fest eingespannt, der Draht durch die Haut gestochen und bis zum Mikrokalk vorgeschoben. Man spürt einen Druck, aber es ist aushaltbar. Anschließend wird noch eine Mammografie zur Kontrolle gemacht. Beide Drähte stehen wie Antennen aus meiner Brust hervor, ein befremdliches Bild. Sie werden noch abgedeckt und ein wenig eingerollt, damit ich nirgends hängen bleiben kann. Danach gehe ich zurück zur präoperativen Station.
Die Patientin, mit der ich heute Morgen gemeinsam angekommen bin, ist bereits im OP – ebenfalls ein Brustkrebs. Jetzt ist eine weitere Frau im Zimmer. Sie hat eine Gebärmutterentfernung und war gestern schon einmal hier, allerdings umsonst. Die OP vor ihr hatte Komplikationen und um zwei Uhr nachmittags sagte man ihr, dass ihre OP verschoben werden muss. Somit war sie also erneut da und hofft diesmal dranzukommen. Aber sie war ganz positiv eingestellt. Lange Zeit zum Reden haben wir nicht, da ich direkt zum OP abgeholt werde. Der Pfleger, der mich im Aufwachraum des OP übernimmt, gratuliert mir beim Datenabgleich noch zum Geburtstag und dann geht´s direkt weiter in die Anästhesie. Mittlerweile ist es kurz vor halb elf. Meine Ärztin kommt noch einmal zu mir und dann kommt der Anästhesist, der gestern das Vorgespräch mit mir geführt hat. Wir machen noch ein paar Späße miteinander und ich wünsche mir einen Traum mit Strand. Ich bin ganz ruhig und entspannt und die letzte Uhrzeit, die ich wahrnehmen kann ist 10.25 Uhr. Das ist so ein Tick von mir – ich schaue immer nach einer Uhr, wenn ich zu einer Operation gebracht werde.
Als ich im Aufwachraum ankomme und erwache, frage ich als Erstes nach der Uhrzeit – es ist 13.15 Uhr. Ich bin erstaunlich wach und schaue mich um. Es sind noch weitere Patienten da und viele Pfleger, die sich um die Patienten kümmern. Kurz nach zwei Uhr werde ich abgeholt und auf die Station gebracht. Mein Wunsch bei der Aufnahme am Montag war ein Einzelzimmer und diesmal hat es auch tatsächlich geklappt – ein sehr schönes Zimmer mit Ausblick in den Taunus. Hier lässt es sich aushalten. Ich dämmere noch ein wenig vor mich hin und bin aber recht schnell wieder fit. Die Narkose habe ich diesmal sehr gut vertragen, kein Erbrechen und nicht so lange ausgeschaltet. Meine Ärztin kommt noch einmal vorbei. Die OP ist gut verlaufen, der Lymphknoten ging etwas schwer raus, da ich so sportlich bin und viele Muskeln habe. Das klingt wie Musik in meinen Ohren, ein schönes Kompliment. Dabei mache ich gar nicht so viel Sport. Sie schaut noch kurz auf die Narben. Das, was ich von oben sehen kann, sieht sehr gut aus. Ich trage den Kompressions-BH und hatte es mir schlimmer vorgestellt, als es wirklich ist.
Zum Abend nehmen die Schmerzen in der Brust zu und ich lasse mir zur Nacht ein Schmerzmittel geben. Schlafen kann ich trotzdem nicht besonders gut, ich bin halt ein absoluter Heimschläfer. Am Morgen gibt es ein sehr gutes Frühstück, dass ich mit offenem Fenster und Ausblick in den Taunus genieße. Kurz darauf kommt die Visite. Die Drainage, die in der Brust liegt, damit das Wundsekret abfliessen kann, wird entfernt und wir besprechen meine heutige Entlassung. Ja richtig – nach nur einer Nacht. Die Gefäßchirurgen müssen zum Abschluss noch entscheiden, wie es mit den Blutverdünnern weitergehen soll und dann kann ich nach Hause.
Die Psychologin und die Onko-Schwester besuchen mich ebenfalls noch einmal. Den BH kann ich nach zwei Wochen ablegen, ich darf heute Abend schon duschen und die Blutverdünner muss ich nur noch zehn Tage nehmen. Allerdings kann mir keiner sagen, wie lange ich den Armstrumpf noch tragen soll. Das muss ich dann mit der Hausärztin klären. Die Pflasterstrips sollen noch auf den Narben verbleiben bis zur Nachsorge nächste Woche im Brustzentrum. Fäden müssen zum Glück keine gezogen werden. Ich darf alles machen, auch den rechten Arm heben. Es hält sich hartnäckig der Mythos, dass man den Arm nach der OP nicht über den Kopf anheben darf. Alles Quatsch. Man darf alles machen, solange man beim Schmerz aufhört und es nicht übertreibt mit der Belastung, denn die Narben müssen auch verheilen können. Meine Schmerzen sind aushaltbar, ja es zwickt überall, aber das darf es auch am Tag nach der Operation. Ebenso habe ich noch Schluckbeschwerden, aber das kommt vom Tubus über den ich während der Narkose beatmet wurde.
Mein Nachsorgetermin ist in einer Woche. Dann ist mein Befund aus der Pathologie da und ich bekomme hoffentlich den Stempel krebsfrei und als geheilt entlassen.