
Mein Weg mit der Glatze
Auf den Verlust der Haare durch eine Krankheit kann man sich nicht vorbereiten. Es passiert einfach. Auch wenn man es vorher weiß, ist der Moment, wenn es so weit ist, doch irgendwie beklemmend. Ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht, wie es wohl ohne Haare sein wird? Wie fühle ich mich beim ersten Blick in den Spiegel? Wie reagiert mein Umfeld darauf? Alles normal. Im Nachhinein kann ich für mich sagen, dass es gar nicht so schlimm war.
Ich wollte nicht täglich büschelweise Haare aus der Dusche holen und habe selbst zum Rasierer gegriffen. Es war der 22. Dezember 2024, am Morgen des vierten Advents. Ich hatte bereits meine zweite Chemo bekommen, nachdem ich am 05. Dezember in die Therapie gestartet bin. Aufhalten konnte ich den Haarausfall sowieso nicht.
Um mich besser mit dem neuen Look arrangieren zu können, habe ich mich geschminkt und so dem Gesicht mehr Ausdruck zu geben. Habe farbige Mützen getragen, mir eine Brille ohne Sehstärke zugelegt, eine Perücke ausgesucht. Bewusst mehr farbige und auffallende Kleidung getragen. Ich wollte mich nicht verstecken.
Mein Zuhause und die Klinik waren am Anfang meine Safe Spaces. Hier habe ich meine Glatze offen gezeigt. Später habe ich auch in der Öffentlichkeit, beim Einkaufen, im Restaurant – einfach überall keine Kopfbedeckung mehr getragen. Man spürt die Blicke der Menschen, aber man spürt auch den Respekt, den sie vor einem haben. Viele haben mich als mutig bezeichnet. Für mich war es einfach nur befreiend. Das war mein neues ICH.
Es hat viel Selbstvertrauen gebraucht, aber es hat mir auch mehr Selbstbewusstsein gegeben. Es hat mich stark gemacht, mich so zu zeigen. Und ich habe mir die Freude am Leben nicht von der Krankheit und der Therapie nehmen lassen. Das Fotoshooting bei Recover Your Smile in München hat mich noch mehr in allem bestärkt.
Mein Weg, mein Umgang mit der Krankheit und der Therapie. Aber für mich war es genau so richtig.
Ich möchte allen Mut machen, dass der Verlust der Haare nicht das Ende des eigenen Lebens ist. Sich dagegen stemmen, kostet unnötig Kraft. Nehmt es an für den Moment und macht daraus eine Kraftquelle. Mir hat es auf jeden Fall geholfen.
Heute, fast exakt sieben Monate später, wachsen meine Haare wieder und mein Gesicht und meine Wahrnehmung verändert sich dadurch. Es sind neue Haare und ich gehe einen neuen Weg. Aber es ist auch ein Weg raus aus dem Therapiealltag, in dem man einerseits gefangen, aber andererseits auch geschützt war. Diesen Weg muss ich nun wieder allein gehen und schauen, was für mich gut ist.