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Die Dreizehnte

Heute ist in Hessen Feiertag, Fronleichnam, und ich hatte am Vormittag meine dreizehnte Bestrahlung. Als ich zu Beginn der Strahlentherapie meinen Terminplan bekommen hatte, war ich etwas verwundert, dass der Feiertag eingeplant war. Aber das hat alles seine Richtigkeit – morgen ist dafür frei und somit haben alle, inklusive der Mitarbeiter in der Radioonkologie, ein langes Wochenende. Für mich geht´s dann am Montag weiter. Dienstag ist die letzte und fünfzehnte Bestrahlung, das ging jetzt doch ziemlich schnell vorbei. Jetzt stellen sich auch erste leichte Nebenwirkungen ein. Die Haut der bestrahlten Brust wird etwas dunkler, es bildet sich ein leichter Hautausschlag in Form kleiner Pickel und ich verspüre eine leichte Spannung in der Brust. Alles normal, meinte der Strahlenarzt heute im Wochenabschlussgespräch. Seit ein paar Tagen verspüre ich ebenfalls ein leichtes Kribbeln im rechten Arm und nachts schläft die rechte Hand ein. Ob das in direktem Zusammenhang mit der Bestrahlung stehen könnte, werde ich nächste Woche einmal erfragen.

Unterdessen ist es hier in meinem Blog etwas ruhiger geworden. Es gibt auch nicht wirklich viel zu erzählen. Ich pendel täglich zwei Stunden zur Strahlentherapie und versuche unterwegs noch Erledigungen zu machen. Im Moment bin ich viel am Grübeln, wie es weitergehen könnte in meinem Leben. Die Akuttherapie ist fast vorbei, die Termine werden weniger und ich kann meinen Kalender wieder selbst verwalten und eigene Termine planen. Letztens hatte ich eine Mailkommunikation mit einem Freund, der ebenfalls feststellte, dass es wohl recht schwierig ist eine gemeinsame Lücke im Kalender für ein Wiedersehen zu finden. Und was soll ich sagen – er hat recht. Unser Kalender ist bereits gut gefüllt. Teils freut es mich, denn es bedeutet, wir sind wieder unterwegs und treffen liebe Menschen. Aber andererseits hinterfrage ich, ob es gut ist, eine hohe Termindichte zu haben. Mal schauen, was ich mit dieser Erkenntnis mache.

Ebenso denke ich bereits darüber nach, wie mein neuer Arbeitsalltag danach aussehen könnte. Ich habe ein sehr privilegiertes Leben, dass es mir erlaubt auch mal nichts zu tun. Aber für mich selbst ist das definitiv nicht erfüllend. Dazu zählen auch meine Ehrenämter. Wie viel Ehrenamt wird es in meinem zukünftigen Leben geben? Auch dort ist die Gefahr groß, schnell über seine kräftemäßigen Grenzen hinauszugehen. Will ich das noch? Ich bin kein Mensch, der nur mit Halbgas etwas erledigt. Bei mir sind es immer mehr als einhundert Prozent, die ich gebe. Und so bin ich in den letzten Tagen sehr viel am Nachdenken. Was tut mir gut und was tut mir nicht gut? Ich muss jetzt aus meinem Krebsalltag wieder herauskommen. Es ist auch eine Chance für Neues.

Letztes Wochenende haben wir einen nahen Angehörigen in Thüringen besucht. Vor vier Jahren hatte er den Blasenkrebs besiegt und jetzt kommt ein neuer Tumor an der Prostata. Das Staging, um den Tumor einzuordnen und die Therapie festzulegen, läuft noch. Aber erneut kommt die Angst, vor dem, was auf einen zukommt. Ist der Krebs zurück? Wie übersteht man diese Therapie? Genau aus diesem Grund möchte ich eigentlich nicht zurück in ein Hamsterrad. Ich möchte mehr auf mich und meine Gesundheit achten und das Leben genießen. Dennoch habe ich genau bei dem Gedanken ein schlechtes Gewissen, ob es mir zusteht, mit meinen 52 Jahren nicht mehr aktiv im Berufsleben zu sein. Werde ich das in zehn Jahren vielleicht bereuen? Ich habe auf alle diese Fragen noch keine Antworten. Muss ich vielleicht auch nicht haben. Manchmal passieren Dinge im Leben zu einem Zeitpunkt, an dem man nicht damit gerechnet hat. Eine gute Bekannte, die auf Rügen lebt, sagte mal einen sehr wahren Spruch zu mir: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“